Lieber Gott…

bevor ich zum eigentlichen Thema komme, ist es notwendig dies kurz einzuleiten. Ich bin katholisch getauft worden und nach den kirchlichen Grundsätzen aufgewachsen. Ich bin zur Erst-Kommunion gegangen, später zur Firmung und eine zeit lang war ich auch mal Messdiener. Auch wenn ich nicht immer eine hundert prozentige Übereinstimmung zur katholischen Kirche habe, so glaube ich doch fest an Gott. Diese Diskussion möchte ich an dieser Stelle allerdings nicht vom Zaun brechen. Vielmehr geht es mir um ein Stück Geschichte, einen Brief, den meine Oma mir zu meiner Erstkommunion geschrieben hat. Dieser Brief ist letztens wieder aufgetaucht und hat mich derart berührt, dass ich ihn hier veröffentlichen möchte:

 

Lieber Jan-Frederik,

 

Im Dom von Erfurt, das heute hinter der Grenze liegt, die Deutschland teilt, da hängt die größte schwingende Glocke der Welt. Sie heißt „Gloriosa“, die Ruhmvolle. Sie wiegt 228 Zentner, wurde 1497 gegossen und unter unendlichen Mühen im mittleren Turm des Domes angebracht. Seit fast 500 Jahren läutet diese Glocke ernst und feierlich in die Welt und verkündet Freuden, Feste, Trauer, Gefahren, Gottesdienst. Seit 500 Jahren erinnert sie die Menschen an den liebenden Gott. Viel ist seitdem in Deutschland passiert. Aber die Glocke schwingt weiter.

Du, der Du in diesem Jahr zur Erstkommunion gehst, hast mit der Glocke „Gloriosa“ irgendwie etwas gemeinsam. Denn Du und die „Gloriosa“, ihr seide beide auf der Welt, um von Gott zu künden. So, wie das Bronze-Material der Glocke aus einer „Glocken-Speise“ – so nennt man das, was der Glockengießer 1497 zusammenrührte – von bester Qualität besteht, so bist auch Du, von Natur aus, mit den besten Zutaten beschenkt:

Du kannst Deinen Verstand, Dein Herz, Deine Stimme zum Klingen bringen, Du kannst ein Mensch sein, der Gott hörbar macht. Wie die „Gloriosa“.

Was im Laufe der Zeit aus Dir wird, ob Du nur ein Glöckchen bist, das bimmelt, oder eine große „Gloriosa“, das liegt nun bald nur noch an Dir selbst. Alles hängt davon ab, ob Du durch das lebenslange Geschenk der Kommunion mit dem Gottmenschen Jesus in Verbindung bleibst oder nicht.

Du selbst musst täglich – bis in Dein letztes Stündchen – die Frage beantworten, ob Du auf „Erden bist, um Gott wohlzugefallen“, oder ob dieses Wohlgefallen nur den Menschen gilt.

Viele Menschen sind arm dran, denn sie haben den Tag ihrer Erstkommunion aus dem Gedächtnis verloren. Sie sind arm dran, denn wenn für sie die Stunden von Not und Tod kommen, dann haben sie garnichts, woran sie sich aufrichten, festhalten und trösten können.

Ich wünsche Dir, dass der Glaube an Gott, der uns seinen Sohn auf die Erde schickte, damit alle Menschen über ihn Bescheid wissen, für Dich ein Schatz bleibt im ganzen Leben; ein Schatz für den man keine Koffer und keine Diebstahl-Versicherung braucht. Nur Ohr und Herz. Ich wünsche Dir, dass Du ein kleines bisschen von der „Gloriosa“ an Dir hast und zeitlebens für Gott und andere klingst. Denn für denjenigen, der nur lebt, um zu arbeiten, zu essen, zu schlafen, der nur an sich und seine persönlichen kurzlebigen Freuden denkt, für den ist das Leben nur der Anfang vom Tod. Aber die anderen, die, wie die Glocken, Gottes Stunden schlagen, werden durch jeden neuen Tag beschenkt. Es lohnt sich, dafür zu beten, dass Du und wir alle immer zu denen gehören, die eine für Gott Ruhmvolle, eine „Gloriosa“ sind.

Viele herzliche Grüße und guten Wünsche zu Deinem großen Tag!

Deine Oma

(Marianne Intveen-Lindner)

Meine Großeltern und ich

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